Die Als-ob-Republik

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Johann
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Die Als-ob-Republik

Beitrag von Johann »

Etwas zum Entspannen - oder zum Nachdenken

Hallo zusammen,
in der heutigen Ausgabe von SONNTAG AKTUELL fand ich unter DIE ANDERE MEINUNG einen lesenswerten Artikel mit dem Titel "Die Als-ob-Republik". Ich will ihn Euch nicht vorenthalten:
Die Als-ob-Republik
von Ernst Elitz

Wir leben im Zeitalter des Als-ob. Auf unserer Pizza ist eine Paste, die schmeckt wie Pappmaché mit Käse-Aroma. In der Flasche Johannisbeersaft gluckert Apfelbrühe mit glutrotem Geschmackszusatz. Wäre alles, was Bio heißt, tatsächlich Bio, müssten die Ackerflächen für biologische Landwirtschaft doppelt so groß sein wie heute, und der Bundesverband der Biobauern hätte mehr Mitglieder als jede Partei – wo auch nicht mehr viel dazugehört.

Auch die Parteien üben sich im Als-ob. Sie tun so, als ob die Krise vorüber wäre. Sie kommt erst noch. Auch die Banken spielen mit dem Als-ob. Sie tun so, als ob üppige Bonus-Zahlungen der Vergangenheit angehören. Bis auf einige Kreditinstitute, die Staatsknete nur gegen notariell beglaubigte Zusage einer Gehaltsabsenkung erhielten, hat man das Unwort Boni durch wohlklingende Vokabeln wie Sonderzahlung oder Stabilisierungsprämie ersetzt. Wie beruhigend für uns alle, dass in Zeiten allgemeiner Unsicherheit wenigstens die Banker-Einkommen stabil sind.

Was sind das für Narrenpossen?

Die Regierung, der das Wort Sparen nicht über die Lippen kommt, hat in der Welt des Als-ob eine neue Einnahmequelle entdeckt. Entscheidet der Bundesfinanzhof, das oberste Finanzgericht, dass einem Steuerzahler Unrecht geschah, tut das Finanzministerium so, als ob dieses Urteil niemals ergangen wäre. Die Zauberformel heißt „Nichtanwendungserlass“ und bedeutet, dass außer dem Kläger kein anderer gleichermaßen Betroffener einen Vorteil aus diesem Richterspruch ziehen kann. Da hoffen die Ministerialen: Soll doch jeder Einzelne selbst so lange klagen, bis die Finanzgerichtsbarkeit so blockiert ist, dass die Rechtsprechung ruht und die Finanzämter nach Gusto kassieren können. Im Finanzamt herrscht eine Gerechtigkeit, die sich am Grundsatz des Als-ob orientiert.

Was heißt da noch Verlässlichkeit?

Wir leben in einer Als-ob-Gesellschaft. Während die Deutsche Post in millionenschweren Anzeigenkampagnen verkündet: „Für Sie geben wir bei der Briefzustellung alles!“, erlebt der Briefkunde, der für seinen Nachsendeantrag teuer bezahlt hat, dass ein gutes Drittel der Briefsendungen dennoch im heimischen Briefkasten und nicht am Urlaubsort landet. Dennoch tut die Post in ihren Anzeigenkampagnen so, als ob sie ein Unternehmen wäre, das Dienstleistungen tatsächlich ernst nimmt. Nach dieser Erfahrung wundert der Kunde sich nicht, wenn ein Päckchen, schwungvoll über den Gartenzaun geworfen, in einer Pfütze landet und der Beschwerdeservice der Post ihm mitteilt, die Sendung wäre ordnungsgemäß zugestellt worden. Stimmt schon, für den Kunden gibt die Deutsche Post alles – alles, was ihr an Ausreden einfällt.

Doch sie kann lernen. In ihrer neuesten Werbekampagne will die Post gar nicht mehr den Eindruck erwecken, als ob der heimische Service ihr wichtigster Auftrag wäre; stattdessen rühmt sie sich eines „klimaneutralen Briefversands zur Reduktion der CO2-Eimissionen“ und eines „Desaster Response Teams zur weltweiten Unterstützung nach Klimakatastrophen“. Vielleicht wäre es kundenfreundlicher, dieses Desaster Response Team daheim zur Reform des serviceneutralen Briefversands und zum Abbau der Kundenschlangen in chronisch unterbesetzten Postämtern einzusetzen, als so zu tun, als ob die Post eine Unterorganisation der UNO zur Weltrettung wäre.

Und der Bürger, der als Steuerzahler, Post- oder Sonst-wie-Kunde in einer Welt aus Nichtanwendungserlassen, Ausreden-Produzenten und Integrationsaufwandspauschalen-Empfängern sein Leben fristet? Soll er sich abfinden mit dem Als-ob – als säße er als Zuschauer in einer Fernseh-Reality-Show, in der alle Darsteller so tun, als ob sie Figuren aus dem wirklichen Leben wären? Im Fernsehen wie im wirklichen Leben durchschaut jeder die Taschenspielertricks der Als-ob-Darsteller. Das Beste wäre, sie würden mit einem Purzelbaum von der Bühne verschwinden, wie die Schalksnarren, die uns einen Abend bis zum Abwinken unterhalten. Nach diesem Schabernack wird es Zeit, die ganze Als-ob-Republik abzuwinken, denn wir brauchen Politiker und Unternehmer, die wir ernst nehmen können. Und das ist genau das Gegenteil von Als-ob.
Einen schönen und entspannten Sonntagabend wünscht
Johann
Grüße aus Ladenburg als der ältesten Stadt rechts des Rheins,
Johann
Wilfried.M
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Re: Die Als-ob-Republik

Beitrag von Wilfried.M »

Lang anhaltender Beifall

Gruß
Wilfried
Grüße aus dem Norden
Wilfried , mit Hymer 544 / 2,5 TD aus 94 / 95 PS
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Johann
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Re: Die Als-ob-Republik

Beitrag von Johann »

Danke Wilfried,
den werde ich gerne :-D weiterleiten. Mal sehen, ob der Autor zu erreichen ist...

Gruß Johann
Grüße aus Ladenburg als der ältesten Stadt rechts des Rheins,
Johann
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Garibaldi
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Re: Die Als-ob-Republik

Beitrag von Garibaldi »

Jetzt erst gelesen ... hervorragend!
Schönen Gruß
Cornelius

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